Aus geschredderten Surfbrettern werden nachhaltige Skateboards
Das Skateboarden hat es in den letzten Jahrzehnten vom Rand der Gesellschaft auf den Fernsehbildschirm und aus der Subkultur heraus zu den Olympischen Spielen geschafft. Angesichts dieses kometenhaften Aufstiegs fragen wir uns, wie wohl die Zukunft dieses Brettsports aussehen könnte. Nach Antworten auf diese Frage suchten wir am Geburtsort des Skateboardens. Der Hersteller von Surfbrettern und Skateboards Shred MFG erzählt eine Geschichte von Leidenschaft, handwerklichem Können und einer grüneren Zukunft für die Skating-Community.
Eine kurze Geschichte der kalifornischen Surf-Kultur
Als irgendwann in den 1950er-Jahren das Skateboarden erfunden wurde, durchlebte die Surf-Szene in Kalifornien bereits einen Boom. Das Interesse für den Wellensport geht in diesen Breitengraden auf die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück, als der aus Hawaii stammende Surfer George Freeth einer Gemeinde im südlichen Kalifornien den Sport des Wellenreitens näherbrachte. Die Begeisterung liess nicht lange auf sich warten.
Als wenig später immer mehr Menschen Autos nutzten, hatte die Stunde des Surfens geschlagen. Nun konnten die Surfbegeisterten ihre sperrigen Bretter einfach ins Auto packen und sich auf Erkundungstour der besten Wellen entlang der US-amerikanischen Westküste begeben.
Das Meer ist allerdings eine unberechenbare Naturgewalt – und wenn die Wellen einmal nicht so richtig in Schwung kommen, ist das Surfen schier unmöglich. Auf dem Höhepunkt des Surf-Enthusiasmus machte man sich schliesslich auf die Suche nach alternativen Möglichkeiten, wenn das Meer einmal nicht zur Eroberung neuer Wellen aufgelegt war. Auf dem Asphalt sind zwar wahrlich keine Wellen zu erwarten, aber er ist immer und für alle verfügbar. Hier entstand das sogenannte «Bürgersteig-Surfen».
Diese Neuinterpretation des Surfens wird gemeinhin als die Geburtsstunde des Skateboardens betrachtet. Seitdem erfreut sich der Brettsport auch auf der Strasse grosser Beliebtheit und unterschiedlicher Stile. Die Skater-Community hat das in all den Jahren allerdings eher cool gesehen und keinen grossen Hype daraus gemacht.
Auf einem Brett geboren
Marcelo Gagliardi, Gründer und Schöpfer von Shred MFG, möchte das Weiterleben der kultigen Tradition mit zukunftsweisenden Boards sichern.
Schon in jungen Jahren hatte das Surfen einen hohen Stellenwert in Marcelos Leben. Seit er denken kann, ist er ein fanatischer Wellen-Beschwörer – und die Tatsache, dass er in Brasilien aufgewachsen ist, hat dieser Leidenschaft natürlich zusätzlich in die Hände gespielt. Der Reiz dahinter? Ein Gefühl unermesslicher Freiheit.
«Es ist eine einzigartige und uneingeschränkte Ausdrucksform. Das Surfen ist jedes Mal eine neue Erfahrung, jede Welle ist anders. Es ist ein gelungener Ausgleich zwischen gesunder Bewegung, immer neuen Herausforderungen und der Nähe zur Natur», so Marcelo über seine Motivation.
Seine Begeisterung für den Brettsport hat zwar keineswegs nachgelassen, weitet sich aber zunehmend auch auf das Reich des Asphalts aus. Seine Leidenschaft hat er sogar zum Beruf gemacht.
Nachdem er mehr als ein Jahrzehnt lang selbst Surfbretter hergestellt hatte, wagte Marcelo nun den Sprung und gründete sein eigenes Unternehmen. Mittlerweile führt Marcelo Shred MFG, eine Produktionsstätte für Surfbretter und Skateboards in Kalifornien, dem Geburtsort des Skateboardens und Epizentrum der Surfbrett-Produktion.
Vom Wellen «shredden» und der Skateboard-Produktion
Aber bevor wir uns nun in die Feinheiten der nachhaltigen Skateboard-Produktion stürzen, ist wohl noch eine Erklärung fällig. In der Surfer-Sprache bedeutet «shredden», auf einer Welle gekonnt grosse Drehungen zu machen, bei denen das Wasser durch den Kantendruck des Bretts wie eine Fontäne auseinanderspritzt.
In Marcelos Unternehmen bezieht sich das «Shredden» auf die Zerkleinerung von recycelten Surfbrettern, aus denen dann neue Skateboards entstehen. Allerdings geht die Bedeutung des Begriffs für Marcelo und sein Team über das Material und den blossen Vorgang hinaus und erstreckt sich in alle Bereiche der Unternehmensphilosophie.
«Beim Shredden von Materialien geht es darum, aus Abfall neue Produkte herzustellen und ihren Lebenszyklus über den Einmalgebrauch hinaus verlängern zu können. Im Grunde genommen geht es darum, aus Abfall neuen Wert zu schaffen – und auf diese Weise den Produktkreislauf am Leben zu erhalten», erklärt Marcelo sein Verständnis von «shredden».
Die Tatsache, dass die Skateboards von Shred MFG aus recycelten Surfbrettern hergestellt werden, hat fast schon etwas Poetisches. Denn das Skateboarding ist ja ursprünglich auch aus dem Surfen entstanden. Und hier schliesst sich der Kreis.
So entsteht ein recyceltes Skateboard
Kommen wir nun zur Sache. Bei Shred MFG werden sowohl hochwertige Surfbretter als auch Skateboards von Hand aus Epoxidharz hergestellt, das entweder in der Werkstatt geformt oder als laminierfertiges Brett weiterverarbeitet wird.
Im Anschluss bringt das Team die Finnen an, bearbeitet die Oberfläche mit der Airbrush-Technik oder bringt einen Klarlack auf, beschichtet das Brett mit Glasfaser, appliziert eine Heissbeschichtung und nimmt die finalen Qualitätskontrollen vor.
Die während des Prozesses anfallenden Abfälle, wie zum Beispiel überschüssiges Harz oder andere Nebenprodukte, werden gesammelt und in einem grossen Industrie-Schredder zerkleinert: Es entstehen kleine Partikel in allen Farben, die wie Konfetti aussehen. Aus dieser 100% recycelten, geschredderten Masse wird dann der Kern des Skateboards hergestellt. Das Ergebnis? Spricht für sich. Doch wie gut funktionieren diese Bretter in der Praxis?
Skateboards wurden lange Zeit in erster Linie aus Holz hergestellt. Im Lauf der 70er-Jahre gesellten sich dann leichte Kunststoff-Skateboards dazu, allerdings nur mit mässigem Erfolg. Kurze Zeit später avancierten die Holzbretter zum Industriestandard. Ihre Kunststoff-Pendants starteten erst in den 2010er-Jahren mit dem kleinformatigen Modell der australischen Marke Penny einen erneuten Anlauf.
Marcelo versichert uns, dass ein Verbund-Skateboard von Shred MFG ganz ähnlich fährt wie ein Modell mit Holzdeck. Als Hauptvorteil des Verbundwerkstoffs nennt er seine Widerstandsfähigkeit.
«Dank bewährter Konstruktionsverfahren, die auch in der Automobilbranche oder in der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz kommen, gewährleisten wir Stabilität und Langlebigkeit. Und wir sind sehr stolz darauf, diese Verfahren erstmals in einer Industrie anzuwenden, in der es bisher keine Erfahrungswerte in dieser Hinsicht gab», so Marcelo weiter.
Skateboards für die nächste Generation
Marcelo gehört zu jenen Menschen, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. Angefangen hat er ganz klein: Der erste Standort seines Unternehmens war seine Garage. Mittlerweile hat Marcelo seine Tätigkeiten deutlich ausgeweitet und trägt damit dazu bei, dass Surfen und Skateboarden in Zukunft umweltfreundlicher werden. Und das ist angesichts steigender Meeresspiegel und verschmutzter Städte auch bitter nötig.
«Die Nachhaltigkeit spielt für uns eine wesentliche Rolle. Sie ist eine der Säulen unseres Unternehmens. Letztendlich geniessen kann man diese Brettsportarten ohnehin nur in einer gesunden und ansprechenden Umwelt», ist Marcelo überzeugt.
Marcelo surft schon seit seiner Kindheit im blauen Nass – und er wünscht sich, dass auch seine Kinder diese Erfahrung noch machen können.
«Allein durch nachhaltige Unternehmenspraktiken und innovative Geschäftsabläufe können wir schon einen Beitrag leisten. Denn wir wollen, dass auch den kommenden Generationen dieselben Dinge zur Verfügung stehen, die auch wir heute schätzen und geniessen», sagt Marcelo. «Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen diesen Sport auch als eine Art Therapie, als eine andere Art des Abschaltens praktizieren können. Das wollen wir mit jedem unserer Produkte weitergeben.»